Als Historiker bearbeite ich in erster Linie mentalitätsgeschichtliche Themenfelder und widme mich der Erforschung der Geschichte der Ideen.
Mein spezielles Augenmerk gilt dabei der politischen Religion des Nationalsozialismus. Diese Religion begegnet uns im Nationalsozialismus bereits in ihren Anfängen, eine Religion also noch in statu nascendi, im Status ihrer Geburt. So schrieb etwa Alfred Miller im antisemitischen „Handbuch der Judenfrage“: „Die nationale Revolution des Jahres 1933 hat kein Gebiet des öffentlichen Lebens unberührt gelassen, auch nicht das religiöse ... Und wenn auch die religiöse Revolution noch tief in den Anfängen steckt und allerlei Unreifes und Halbes mit sich schleppt, ... so war doch so gewissermaßen über Nacht die ganze überkommene Substanz des Kirchenwesens in Frage gestellt.“
Das Thema "Politische Religion des Nationalsozialismus" wurde in Deutschland bis in die 90er Jahre links liegen gelassen. Obwohl der Ansatz einen wichtigen Hebel darstellt, sich dem Nationalsozialismus ideengeschichtlich zu nähern, wurde er kaum verfolgt. Prof. Dr. Monika Neugebauer-Wölk von der Universität Halle-Wittenberg hat sich in diesem Artikel die Frage gestellt, warum den Anregungen eines der Pioniere dieses Forschungsgegenstandes, Eric Voegelin, nicht weiter nachgegangen wurde:
"Die Resonanz in der deutschen Politologie aber bleibt begrenzt, und nach Gründen dafür muss man in der Phase, die mit den sechziger Jahren beginnt, nicht suchen. Die Bestimmungsfaktoren historischpolitischer Entwicklung werden sozial- und wirtschaftsgeschichtlich, nicht ideengeschichtlich konzipiert. Voegelins gegen die Logik von Aufklärung und Revolution gerichteter Politikentwurf widerspricht dramatisch dem Zeitgeist bis weit in die achtziger Jahre hinein ..." "... Wenn das falsch war, was war dann mit der 'Gnosis', jener antiken Verbindung von 'Wissen' und Glauben, die für den späteren Voegelin im Mittelpunkt stand? Es gibt nicht einmal den Ansatz einer geschichtswissenschaftlichen Diskussion zu dieser Frage, und man ist versucht zu sagen: Es kann eine solche Diskussion nicht geben. Das Fach ist nicht so organisiert, dass entsprechende Kompetenz entsteht. Was weiß der Zeithistoriker von der Geschichte antiker Religionen und mittelalterlicher Sektenbewegungen, was wissen Historiker der Vormoderne vom Dritten Reich, dass sie sich auf das dünne Eis einer solchen Debatte begeben würden? Historische Forschung ist heute mit großer Konsequenz nach Epochen strukturiert, und chronologisch übergreifende Professuren für Religionsgeschichte gibt es nicht. Man muss gegen die Regeln fachlicher Zuständigkeit verstoßen, wenn man sich diesem Problem zuwenden will."
Wagt man dies, erhält man folgendes Bild über das, was sich da im "Dritten Reich" zusammen braute: Die Entwicklung deutet auf die Fusion zweier uralter und praxiserprobter religionsphilosophischer Strömungen hin: Menschenopferkulte und Gnosis. Das Ergebnis: Ein gnostischer Lichtkult, angefeuert von permanenten Menschenopferungen, motiviert von einer tiefen Sehnsucht nach dem mütterlichen Ursprung. Ich habe den Einzelmodulen dieser denkbaren Synthese Bücher gewidmet.
Will man dem Wirken gnostischer Strömungen in der Moderne auf die Spur kommen, führt kein Weg an wichtigen Baumeistern der Aufklärung vorbei: Den Freimaurern. Einige von ihnen griffen – wie ich am Fallbeispiel des Landgrafen Carl von Hessen aufzeige – zur Gnosis, um sich im Prozess der Selbstvergöttlichung politisch selbst zu ermächtigen. Nicht länger die in der Bibel geoffenbarte Gottheit steht im Mittelpunkt, sondern der die vermeintliche Göttlichkeit des Menschen selbst, von der allerlei politische Forderungen abgeleitet werden. Ist jeder Mensch selbst ein Teil der gnostischen Lichtgottheit, verfällt der exklusive Anspruch des von Gottes Gnaden eingesetzten Monarchen auf die Macht: 2008 erschien „Der Freimaurergarten. Die geheimen Gärten der Freimaurer des 18. Jahrhunderts.“ Neben der Frage politischer Selbstermächtigung als eine der Grundlagen der Aufklärung geht es vor allem um Esoterik in der Gartenarchitektur - für mich ein bis dahin ganz neues und ausgesprochen spannendes Thema.
Zur politischen Religion des Nationalsozialismus
In „Das atlantidische Weltbild und die integrale Tradition. Nationalsozialismus und Neue Rechte auf der Suche nach der versunkenen Atlantis“ (stark erweiterte Neuauflage 2014) belege ich die tiefe Sehnsucht nach dem Ursprung anhand der Suche führender Nationalsozialisten und Neuer Rechter nach dem versunkenen Kontinent Atlantis. In dieser Geschichte der Urkulturrezeption dreht sich alles um die todessehnsüchtige Rückkehr zur Mutterimago, in das Urelement, das Wasser.
Die speziell gnostischen Aspekte in den nordistisch-rassistischen Atlantis-Utopien arbeite ich in „Neu-Vineta. Die Rassesiedlungspläne der Ariosophen für die Halbinseln Darß und Zingst“ (2010) heraus. Hier wurde versucht, die Inselutopien in Vorpommern Anfang der 30er Jahre zu realisieren. Das Buch kann als Komplettierung des Atlantidischen Weltbildes gelesen werden.
In „Alfred Schuler, der letzte deutsche Katharer. Nationalsozialismus, Gnosis und mystische Blutleuchte“ (Neuauflage 2014) demonstriere ich an einem konkreten Fallbeispiel, der Person des Münchner Mentors von Stefan George, Alfred Schuler, die Renaissance der Gnosis in der Inkubationsphase des Nationalsozialismus. Beherrschendes Leitbild ist hier das Licht, aus dem der Gnostiker zu stammen glaubt, dessen göttlicher Teil er zu sein meint, und in das er wieder einzugehen gedenkt.
In dem dritten Band meiner Reihe über die politische Religion des Nationalsozialismus schließlich beschäftige ich mich mit den Menschenopferungen im Nationalsozialismus. Unter Rekurs auf die vorchristlichen Menschenopferkulte von Germanen, Kelten und Slawen sowie die Opfer der Hexenverfolgungen in Mittelalter und früher Neuzeit versuche ich die Grundidee des Menschenopfers im Nationalsozialismus zu erschließen. Im Mittelpunkt dieser Ausführungen über „Kelten, Hexen, Holocaust. Menschenopfer in Deutschland“ (2. aktualisierte Auflage 2010) stehen die Ganzbrandopfer, die holocausta, um einen zeitgenössischen, italienischen Begriff für die Hexenverbrennungen der frühen Neuzeit zu gebrauchen – und damit das Feuer.
Wasser, Licht und Feuer – das sind die Leitthemen unter denen meine bisherige Analyse der politischen Religion des Nationalsozialismus stattgefunden hat. Dem vierten Band der Reihe liegt als Motto der Äther zugrunde, ein geheimnisvolles Element, dass in antiker Philosophie und mittelalterlicher Alchemie eine nicht unerhebliche Rolle spielte und auf die randständigen Elemente der untersuchten religio in statu nascendiverweist: Spiritismus und Okkultismus, festgemacht am Leben Himmlers. Heinrich Himmler nimmt als Reichsführer SS und Herr über die Konzentrationslager für die Exekutive des Massenmords eine ungleich wichtigere Position im Machtgefüge des Systems ein, als sie Hitler inne hatte. Oder um mit den Editoren seines Dienstkalenders, Lohalm/Scheffler, zu sprechen: „Heinrich Himmler, wegen seiner Skurrilität oftmals belächelt und spöttisch der 'Reichsheini‘ genannt, war in Wirklichkeit die prägende Kraft dessen, was den nationalsozialistischen Staat mit seinen Verbrechen aus der modernen Geschichte heraushebt.“ Entsprechend wichtig scheint mir ein Blick auf seine okkulten Motive in „Heinrich Himmler. Deutscher Spiritismus, französischer Okkultismus und der Reichsführer SS“ (2. Auflage 2013).
The american edition of "Heinrich Himmler. German Spiritualism, French Occultism and the Reichsführer SS" (Political Religion of National Socialism) (Volume 4) was published in 2013 (Amazon.com or Amazon.co.uk).
Bei meinen Recherchen für das Himmler-Buch habe ich entdeckt, dass Himmler 1925 Schriften eines mir bis dahin vollkommen unbekannten Geheimbundes, des "Bundes der Guoten" besaß. Grund genug, sich dieser Organisation anzunehmen. Das Ergebnis der Untersuchung: „Weishaar und der Bund der Guoten: Ariosophie und Kabbala“ (2., erweiterte Auflage 2013). Da der Gründer des ariosophischen Bundes der Guoten, Kurt Paehlke, der unter dem Decknamen "Weishaar" agierte, zuvor Mitglied im Germanenorden war (dessen Aushängeschild die Thule-Gesellschaft darstellte), lag es nahe, dass er bei Gründung seines eigenen Geheimbundes viele Ideen des Germanenordens adaptiert haben könnte. Da die Quellen über den Germanenorden nicht allzu umfangreich sind, bot sich hier die Chance über die Betrachtung des "Bundes der Guoten" mehr über Geheimbünde als Träger der gnostischen Idee in Erfahrung zu bringen. Und tatsächlich: Auf der Basis der alten jüdischen Geheimlehre der Kabbala entwickelte der Bund Visionen zur Menschenzucht und begann bereits mit deren praktischer Umsetzung.
Neben der Frage nach dem "Bund der Guoten" blieb nach meinen Himmler-Recherchen die Frage nach einem Alchemisten namens "Franz Tausend" offen. Er soll für Himmler versucht haben, Gold künstlich herzustellen. Wie meine Recherchen ergaben, war Tausend tatsächlich in der Lage, über die Erste-Weltkriegslegende General Erich Ludendorff beträchtliche Mittel den Völkischen zufließen zu lassen. Wie schaffte er das? Lesen Sie selbst: „Der Alchemist Franz Tausend. Alchemie und Nationalsozialimus" (2., erweiterte Auflage 2013).
Bei allen sieben Bänden ist zu beachten, dass sich alle zur politischen Religion des Nationalsozialismus gemachten Aussagen auf die enge Aufgabenstellung einer religionsphilosophischen Untersuchung des Nationalsozialismus beziehen. Eine solche Bewegung kann selbstverständlich nicht monokausal erklärt werden. Hierzu gehören auch sozialhistorische Ursachen, außenpolitische Aspekte, individuelle, psychologische Faktoren etc.
Stellte der „Freimaurergarten“ den Ausgangspunkt der Betrachtungen gnostischer Strömungen dar, so schlägt „Gnosis in High Tech und Science-Fiction“ (2. Auflage 2015) den Bogen in die Gegenwart (und Zukunft).
Sonstige Buchpublikationen
Als Methode zur Erforschung der Ideen eignet sich meines Erachtens auch die neodarwinistische Memetik. Da die Memetik im deutschsprachigen Raum leider fast unbekannt ist und - wenn überhaupt - nur sehr kritisch aufgenommen wird, habe ich eine grundlegende Einführung zum Thema verfasst: „Memetik. Der Krieg des neuen Replikators gegen den Menschen“ (2001; Neuauflage 2015).
Populär angelegt ist eine lokalhistorische Arbeit über den Daube-Mord, der 1928 reichsweit Aufsehen erregte und unter anderen Theodor Lessing zum Eingreifen bewegte: „Wer tötete Helmut Daube?“ (stark erweiterte Neuauflage 2015), gemeinsam verfasst mit Sabine Kettler und der Germanistin Eva-Maria Stuckel.
Ebenfalls lokalhistorisch geprägt sind die Arbeiten über „Lavater in Barth“ (2009) und „Hexen in Barth“ (2010) sowie „Barth im Nationalsozialismus" (2016).
2011 wurden erstmals die Tagebücher des Kunstwissenschaftlers Conrad Fiedler vollständig publiziert. In "Der Vedremo-Bund. Conrad Fiedler, Hans von Marées und Adolf von Hildebrand" versuche ich einige neue Antworten auf alte Fragen zu geben, die das kreative Dreier-Bündnis aus Theoretiker, Maler und Bildhauer betreffen.
Andere Projekte
Mein letztes Web-Projekt war die Online-Publikation einer von mir in Bundesarchiv-Beständen entdeckten, bislang unbekannten „Teil-Bibliographie des H-Sonderauftrages des Reichsführers SS Heinrich Himmler“ des Hexen-Sonderauftrages Himmlers.
Durch einen zufälligen Dachbodenfund ergab sich die Möglichkeit, die Kindheits- und Jugenderinnerungen des Barther Militärarztes Dr. August Meyer unter dem Titel „Der Stolz meines Vaters“ (2011) herauszugeben und einzuleiten. Das Buch ist mit zahlreichen historischen Stadtansichten der Stadt Barth (Nordvorpommern) aus dem 19. Jahrhundert illustriert. In der Ausgabe 02/2011 der Zeitschrift "Welt-Kultur-Erbe. Historische Altstädte Stralsund und Wismar" finden Sie ein zweiseitiges Feature über das Buch (S. 64f.).
2011 durfte ich technisch unterstützend an der Publikation der Tagebücher des Kunstwissenschaftlers Conrad Fiedler durch Brigitte Boiar sowie der Publikation des Buches von Karin Bernstein über die "Königlich Preußische Navigationsschule zu Barth" mitwirken.
Für den 25. Band der Neuen Deutschen Biographie (NDB) der Bayerischen Akademie der Wissenschaften habe ich den Lexikonartikel über den Alchemisten Franz Tausend geschrieben. Der Band ist 2013 erscheinen. An der entsprechenden WDR-Zeitzeichen-Hörfunkproduktion habe ich 2017 mitgewirken dürfen und 2018 dann zudem als Fachberater und Interviewpartner in der ZDF-Terra-X-Produktion „Der große Bluff“ (Erstausstrahlung 12.8.18) – ebenfalls über den Alchemisten Franz Tausend.